Aufruf zum 1. Mai von Silvia Dell'Aquila, Präsidentin des AGB
Ein rechtskonservativer Backlash breitet sich auf der ganzen Welt aus. Besonders betroffen sind Frauen, Ausländer:innen, Queers, Menschen mit Behinderungen und sozioökonomisch schwache Bevölkerungsgruppen. Demokratische und gewerkschaftliche Errungenschaften sind in Gefahr. Dagegen müssen wir uns gemeinsam wehren – jetzt!
Nicht zufällig hat der Schweizerische Gewerkschaftsbund für den diesjährigen Tag der Arbeit den Slogan «Solidarität statt Hetze – gemeinsam stark!» lanciert. In den letzten Jahren, besonders aber 2024, sind immer mehr rechtspopulistische und rechtskonservative Parteien an die Macht gekommen, haben Regierungen gebildet und Mehrheiten in Parlamenten erreicht. Was schleichend begann, ist nun Realität. Ein massiver Rechtsrutsch ist weltweit im Gang und droht, unsere Welt für lange Zeit grundlegend zu verändern.
Es ist eben nicht egal, ob und wen man wählt, welche politischen Kräfte – auch aufgrund einer gewissen wohlstandsbedingten «Politikmüdigkeit» – wachsen, den politischen Diskurs beherrschen und Macht erlangen. Was seit Anfang Jahr in den USA zu beobachten ist, führt uns vor Augen, was geschieht, wenn rechtskonservative Kräfte das Sagen haben. Die Bilder deportierter Migrant:innen gehen einem nicht mehr aus dem Kopf. Der massive Angriff auf staatliche Institutionen mit dem Ziel, diese aufzulösen oder Sozialversicherungen zu privatisieren, die Streichungen bei der Entwicklungshilfe, im Bildungssystem und in der Krankenversicherung sowie alle weiteren Transformationsvorhaben der jetzigen Machthaber zeigen auf, wie schnell ein ganzes Staatssystem und eine ganze Gesellschaft in kürzester Zeit komplett verändert und teilweise zerstört werden können.
Die Nachahmer lassen nicht auf sich warten. In Europa und auch in der Schweiz entwickeln rechte Parteien ähnliche Gelüste: Nieder mit dem Staat! Ausländer:innen raus! Schluss mit dem «Genderwahn»! Fertig mit Klimapolitik! Die Welt gehört wieder den Reichen und Starken, Oligarchen teilen sich die Welt unter sich auf und diktieren ihre Regeln. Mit gezielter Desinformation präsentieren sie die neuen Feinde: Frauen, Ausländer:innen, Queers, Menschen mit Behinderungen und finanziell schwache Bevölkerungsgruppen erfahren immer mehr Diskriminierung, Hass und Hetze – und das von ganz normalen Leuten. Rassismus und Sexismus sind wieder salonfähig geworden.
Nicht nur in den USA, sondern auch hier bei uns. Im nationalen Parlament, aber auch im Aargauer Grossrat sind rechtskonservative Kräfte am Werk, die sich bestärkt darin fühlen, eine Politik für wenige zu machen, statt für die ganze Bevölkerung. Arbeitnehmendenrechte? Gleichstellung? Inklusion? Anti-Diskriminierung? Weg damit. So wie auf der ganzen Welt ist der rechtskonservative Backlash auch hier bei uns auf dem Vormarsch.
Gemeinsam für eine solidarische Welt einstehen
Diese Entwicklung macht vielen Menschen Angst. Wir fühlen uns ohnmächtig. Manche von uns schlafen zurzeit schlecht und wissen nicht, wohin das alles führen wird – noch, was sie tun sollen. Es besteht die reale Gefahr eines Krieges oder zumindest grösserer internationaler Spannungen, einer weltweiten Wirtschaftskrise.
So könnte man zum Schluss kommen, dass gewisse Themen nun zweitrangig sind. Gleichstellung, Inklusion, Anti-Rassismus, Arbeitnehmendenrechte und Klimawandel – sind das noch wichtige Themen, wenn die Welt brennt? Ja, sind sie. Und gerade in diese Falle dürfen wir nicht tappen. Jetzt ist der Moment, sich zusammenzuschliessen und dagegenzuhalten. Gemeinsam sind wir stark und wehren uns entschieden gegen den rechtskonservativen Backlash.
Wir engagieren uns für einen starken Service public und für einen Staat, der den Menschen ins Zentrum stellt. Wir messen uns am Wohl des Schwächsten, wie es in unserer Verfassung steht. Wir verteidigen unsere Demokratie und unsere Werte. Wir setzen uns für Gleichstellung ein und gegen Sexismus. Wir lassen nicht zu, dass gegen Ausländer:innen gehetzt und Queers diskriminiert werden.
Engagieren wir uns! Gerade am 1. Mai ist der Moment, auf die Strasse zu gehen und klar und deutlich zu sagen: Wir lassen uns nicht auseinanderdividieren und unsere Welt zerstören!
Und wenn die Demo vorbei ist, beginnt die eigentliche Arbeit. Keine Wahlen und keine Abstimmungen dürfen in Zukunft ausgelassen werden. Vielmehr müssen wir uns aktiv in der Politik engagieren – auf lokaler, kantonaler oder nationaler Ebene. Es braucht Menschen auf allen Ebenen, die für Ämter kandidieren, bei Wahlen und Abstimmungen mithelfen, die für ihre Werte einstehen und sich engagieren.
Es braucht starke Gewerkschaften, die die Arbeitnehmendenrechte verteidigen. Das können sie nur, wenn sich viele Menschen darin organisieren. Werde noch heute Mitglied einer Gewerkschaft und überzeuge deine Kolleginnen und Kollegen, auch beizutreten. Engagiere dich in einer Partei, in einer Organisation, in Vereinen.
Es braucht eine starke Zivilgesellschaft, die sich für Gleichstellung und Inklusion, gegen Diskriminierung, Sexismus und Rassismus einsetzt. Es braucht uns alle – jetzt.
Hier gehts zur 1. Mai-Zeitung 2025 und zu den Veranstaltungen zum 1. Mai im Kanton Aargau